Natürlich sei er nicht dagegen, dass Privatanleger ihre Orders auch auf außerbörslichen Plattformen platzieren könnten. „Aber dann sollten sie sich bewusst dafür entscheiden – und zwar für jeden einzelnen Auftrag“, so Boschan. Denn bisher ist es so, dass Privatanleger bei ihrer Bank in der Regel pauschal und einmalig die Ausführungsart ihrer Wertpapierorders genehmigen – häufig ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass sie damit gegebenenfalls auch ihre Zustimmung für die Ausführung an einem nicht regulierten Markt, und sei es ein so genannter Dark Pool, geben. „Dieses Prinzip muss man im Sinne des Anlegers auf den Kopf stellen“, fordert Boschan. Das heißt, grundsätzlich müsse der Börsenvorrang gelten. Erst wenn sich der Kunde pro Auftrag explizit anders entscheide, könne seine Order auch an einem nicht regulierten Handelsplatz ausgeführt werden. Aus diesem Grund, so Boschans Vorschlag, sollte für Anleger, die auf eigenen Namen und eigene Rechnung Wertpapiere handeln und keinen Finanzdienstleistungsstatus haben, ein Börsenvorrang gelten. „Das wäre eine klare Trennlinie bei der Regulierung, die man im Sinne der Privatanleger ziehen könnte“, sagt er.
Neben der Schutzfunktion für den Privatanleger spricht auch die Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Marktpreisbildung für einen Vorrang der Börsen. Denn durch Zunahme von Wertpapierhandelsplattformen wurde die Liquidität auf immer mehr verschiedene Wertpapiermärkte aufgespalten – mit dem Ergebnis, dass an nicht börslichen Handelsplätzen oft höhere Umsätze zustande kommen als an den klassischen Börsen. „Dies aber höhlt die börsliche Preisqualität aus“, konstatiert Boschan. Die staatlichen Regulierer müssten sich daher die Frage stellen, was ihnen die volkswirtschaftliche Bedeutung der Bildung börslicher Referenzmarktpreise denn wert sei. Schließlich sind Börsenpreise nicht nur für Käufer und Verkäufer von Wertpapieren von Bedeutung, vielmehr haben sie darüber hinaus noch weit reichende Folgen. So dienen die Börsenpreise etwa als Referenz zur Bewertung von Fondsanteilen oder von Banken und Industrieunternehmen. „Die Bedeutung der regulierten Börse gilt es daher seitens des Gesetzgebers zu stärken“, fordert Boschan.
Verschärft wird die Situation für regulierte Börsen, die in Deutschland öffentlich-rechtlich organisiert sind, durch den Umstand, dass außerbörsliche und börsenähnliche Handelsplattformen wie Rosinenpicker agieren können, um sich nur auf hochliquide Wertpapiere etwa aus dem Dax30 zu konzentrieren. Eine der volkswirtschaftlichen Aufgaben der Börsen aber ist es, auch für die weniger umsatzträchtigen Finanzinstrumente, etwa von mittelständischen Unternehmen aus dem BWX 15, einen ordnungsgemäßen Handel zu gewährleisten. Dies macht natürlich die Aufrechterhaltung einer Börse entsprechend teuer.
Die öffentlich-rechtliche Börse hat hier eine gesetzliche Betriebspflicht, wogegen außerbörsliche und börsenähnliche Plattformen ihren Betrieb jederzeit einfach einstellen können. Vor allem, wenn es zu Marktturbulenzen kommt, ist es für Investoren aber ganz entscheidend, ob sie noch Zugang zum Handel haben oder vor verschlossenen Türen stehen. „Auch das ist ein Aspekt, der im Sinne von privaten wie institutionellen Anleger für die regulierte Börse spricht“, resümiert Boschan.